Buchen

Die Realität hinter der Fiktion: Ein Sachse schreibt aus dem Land der Apachen

Sepiafarbene Skizze von fünf Soldaten in einem Waldstück. Einige knien, andere stehen und bereiten Essen über einem Feuer zu, aus dem Rauch aufsteigt. Gewehre und Ausrüstung liegen in der Nähe. Unter der Zeichnung sind handschriftliche Notizen und Unterschriften zu sehen.

Hünlich berichtet, May dichtet: Zwei Lebenswege zwischen Sachsen und dem Wilden Westen

Unser denkmalgeschütztes, blaues Umgebindehaus am Niedermarkt in Neusalza-Spremberg beherbergt heute als „Marktquartier 5“ zahlreiche Urlaubsgäste – und eine bewegte Geschichte. Eine ihrer bemerkenswertesten Episoden erzählt das Leben von Carl Hünlich, der 1853 in diesem Haus geboren wurde.

Schwarz-Weiß-Porträt eines jungen Mannes in Anzug und Krawatte mit welligem Haar, der leicht zur Seite blickt. Das Foto wirkt altmodisch und abgenutzt, mit sichtbaren Kratzern und Flecken.
Carl Hünlich (1853-1909)

Mit nur 18 Jahren wanderte Carl Hünlich aus Sachsen nach Nordamerika aus – auf der Suche nach einem besseren Leben. Stattdessen fand er sich bald im US-Militär wieder, stationiert in New Mexico, mitten in der Endphase der sogenannten Indianerkriege. In zahlreichen Briefen berichtete er seiner Familie und seinem Jugendfreund Bruno Priemer in der Heimat von seinen Erlebnissen im Fort und im Feld – und in unmittelbarer Begegnung mit den Apachen.

Priemer sammelte diese Briefe sorgfältig, kommentierte sie und hielt mit eigenen Antworten den Kontakt aufrecht. Der so entstandene, umfangreiche Briefwechsel ist bis heute erhalten – ein einzigartiges Zeitzeugnis der sächsischen Auswanderung im 19. Jahrhundert und der historischen Realität des amerikanischen Westens.

Besonders spannend: Zur selben Zeit saß ein gewisser Karl May in Zuchthaushaft – und schuf wenig später mit literarischer Fantasie die Geschichten, für die er weltberühmt werden sollte. Der reale Carl Hünlich hingegen erlebte die „Frontier“ unmittelbar. Der Vergleich der beiden „Karls“ offenbart überraschende Parallelen – und markante Unterschiede zwischen Mythos und Wirklichkeit.

Forschung und Vortrag im Karl-May-Museum

Dr. David Hünlich (University of Texas at San Antonio / Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt), die Neusalza-Spremberger Stadthistorikerin Friederike Wittwer und Karl-May-Experte Ulrich Neumann (Miteigentümer von Carl Hünlichs Geburtshaus) werten den Briefwechsel derzeit wissenschaftlich aus. Sie recherchieren ergänzende Quellen in deutschen und nordamerikanischen Archiven, um das Leben Carl Hünlichs in der alten und neuen Welt umfassend zu rekonstruieren.

Ihre bisherigen Forschungsergebnisse präsentieren sie am Freitag, 27. Juni 2025, um 18 Uhr im Karl-May-Museum in Radebeul. Der Vortrag bietet faszinierende Einblicke in einen transatlantischen Briefwechsel, in die Lebenswirklichkeit eines jungen Sachsen im amerikanischen Westen – und in die Frage, wie Wirklichkeit und Literaturgeschichte miteinander verknüpft sind.

Veranstaltungshinweis:
„Ich befinde mich gegenwärtig in New Mexico“ – Eines Carls Abenteuer mit den Apachen. Die Priemer-Akte: Aus dem Leben eines sächsischen Auswanderers zu Karl Mays Zeit
Vortrag von Dr. David Hünlich, Friederike Wittwer und Ulrich Neumann
Freitag, 27. Juni 2025, 18 Uhr
Karl-May-Museum, Karl-May-Straße 5, 01445 Radebeul

Das Titelbild zeigt eine Zeichnung von Carl „Chas“ Hünlich, die er während einer Expedition der 8th Cavalry gegen die Mescalero Apachen Ende September 1873 anfertigte („Around the Camp Fire, Company H, 8th Cavalry scouting the Sierra Cañada“). Seinem Freund Bruno Priemer erläuterte er sie im beigefügten Brief wie folgt: „[…] unsere Company um das Campfeuer. Diese Skizze zeichnete ich eines Abends in der Sierra Canada. Es war der Befehl gegeben worden, auch im Lager die Waffen zu tragen; deshalb siehst Du denn auch unsere Reihe mit dem Carbiner [sic!] an der Schulter. In Front der Sierra findest Du einige Navahoe Indianer, welche uns zur Zeit als Führer dienten. Es war eine jener Sichte vor den [sic!] später erfolgenden Kampfe […]. Die Zeichnung selbst ist sehr dürftig und lässt zu sehr Müdigkeit und Schlafsucht ahnen.
Quelle/Copyright: Archiv Familie Hünlich